Der Weg zu echter Chancengleichheit führt auch über mehr Männer in Elternzeit
Frauen sind in unseren Breitengraden in den Führungsetagen weiterhin unterrepräsentiert. Schade, denn weibliche Führungskräfte bringen oft unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven mit, die dazu beitragen können, innovative Lösungen zu entwickeln und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Zudem sind Frauen in Führungspositionen Vorbilder und Mentoren für andere Frauen und tragen dazu bei, eine Kultur der Chancengleichheit und des Respekts am Arbeitsplatz zu fördern.
Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg: Laut dem Statistischen Bundesamt lag der Anteil der weiblichen Führungskräfte in Deutschland im Jahr 2021 bei etwa 29 Prozent. Im EU-weiten Ranking unter den 27 Mitgliedsstatten ergibt das den 20. Rang. Anders ausgedrückt: Es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zur Chancengleichheit in Führungspositionen hierzulande. Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang lautet: Welche Maßnahmen sind in der Praxis dazu geeignet, den Anteil entsprechend zu erhöhen und was kannst Du dazu beitragen?
Wer mehr Frauen in Führungspositionen sehen möchte, benötigt mehr Männer in Elternzeit
Seit dem Jahr 2007 gibt es in Deutschland im Rahmen des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) die gesetzliche Möglichkeit, auch als Vater Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Im Laufe der Jahre hat sich der Anteil der Väter, die von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch machen, zwar stetig gesteigert, er fällt allerdings immer noch äußerst bescheiden aus.
Im Jahr 2022 wurde die Elternzeit immer noch zu 73,9 Prozent von Frauen in Anspruch genommen. Vereinfacht ausgedrückt: Das Verhältnis von Frauen zu Männern in Elternzeit liegt bei etwa 3:1. Auf drei Frauen in Elternzeit kommt gerade mal ein Mann.
Unter den Müttern, die dabei den vollen Anteil von 36 Monaten Elternzeit in Anspruch nehmen, befindet sich auch ein erheblicher Anteil an Frauen, die davor in den Chefetagen von Unternehmen zu finden waren. Der Arbeitgeber muss im Anschluss an die Elternzeit den betroffenen Müttern ermöglichen, in ihren vorherigen oder vergleichbaren Job zurückzukehren. Zumindest theoretisch, denn in der Praxis ist „vergleichbar“ Auslegungssache.
Deshalb enden viele hoffnungsvolle weibliche Führungskarrieren leider immer noch spätestens bei der Geburt des ersten Kindes. Wenn Du das nicht möchtest, liegt es auch an Dir, die Initiative als Führungskraft zu ergreifen und in Deinem Verantwortungsbereich Maßnahmen durchzusetzen, die dazu führen können, dass sich der Anteil der Männer in Elternzeit erhöhen.
Chefsache: Der Wandel für mehr Chancengleichheit beginnt im Kopf
Verschiedene Länder haben einen unterschiedlichen Zugang zu dieser Thematik: Luxemburg setzt bei der Erhöhung der Quote auf Elternurlaub in Teilzeit, Norwegen hat vor allem die Betreuungsdienste für Kinder stark ausgebaut.
Wer in Deutschland nach entsprechenden Entwicklungen und Vorschlägen sucht, findet diese vor allem in selbst organisierten Netzwerken und Initiativen.
Eine davon ist beispielsweise die „Initiative Chefsache“. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlichem Sektor und Medien, das sich der Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern persönlich verpflichtet fühlt.
Die Gründung erfolgte im Jahr 2015 unter der Schirmherrschaft der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie betonte dabei, dass der Wandel miteinander und nicht nur von einer Seite zu gestalten ist.
Zu den Mitgliedern der Initiative Chefsache gehören unter anderem renommierte Unternehmen wie beispielsweise Allianz, Siemens und Volkswagen sowie der Bundesnachrichtendienst und das Bundesministerium der Verteidigung.
Viele der Mitglieds- und Partnerunternehmen haben mit entsprechenden Maßnahmen und Förderungsprogrammen für Frauen innerhalb der eigenen Organisation für eine Erhöhung der Chancengleichheit gesorgt und warten dabei nicht erst auf entsprechende Initiativen der Regierung.
Mentoring-Programme bringen Frauen an die Spitze
Nicht immer ist die Elternzeit ausschlaggebend für den niedrigen Anteil an Frauen in Führungspositionen. Oftmals werden Frauen in Unternehmen bei der Auswahl von neuen Führungskräften einfach immer noch übergangen. Durch diese Erfahrung fehlt oftmals das Selbstvertrauen, es dennoch zu versuchen.
Wenn Du den Anteil an weiblichen Führungskräften in Deinem Unternehmen erhöhen möchtest, musst Du deshalb entsprechende Initiativen dafür entwickeln beziehungsweise bei der Unternehmensleitung einfordern. Wie das funktionieren kann, zeigt beispielsweise die Unternehmensberatung McKinsey mit seinem Mentoring-Programm „Women Talent Board“, das im Jahr 2015 eingeführt wurde.
Beraterinnen, die nach drei Jahren im Unternehmen zur Projektleiterin gewählt werden, erhalten dabei proaktive Unterstützung auf ihrem Weg zur McKinsey-Partnerin. Dafür wird ihnen ein entsprechender Sponsor oder eine Sponsorin zur Verfügung gestellt. Etwaige Probleme, die den Karrierefortschritt verzögern oder verhindern könnten, werden durch das Women Talent Board frühzeitig erkannt und effektiv bereinigt. Der Anteil an McKinsey-Partnerinnen konnte dadurch in den letzten Jahren deutlich erhöht werden.
Nimm das Heft selbst in die Hand!
Auch wenn die Unternehmen bereits entsprechende Initiativen entwickelt haben, die den Anteil an weiblichen Führungskräften fördern sollen, ist das kein Grund für Dich als Führungskraft, Dich damit zufriedenzugeben.
Im Rahmen Deiner Möglichkeiten gibt es eine Fülle an Maßnahmen, die Du selbst umsetzen kannst. Dazu gehört vor allem, die Frauen in Deinem Team entsprechend bei der Karriereentwicklung zu unterstützen und sie für Führungspositionen vorzuschlagen.
Bist Du der Meinung, dass es bereits bei den Einstellungsprozessen in Eurem Unternehmen zu einer ungleichen Behandlung von Frauen und Männern kommt, solltest Du diesen Missstand klar aufzeigen. Ist die Frauenquote in Deinem Team niedrig, liegt es an Dir, für einen entsprechenden Ausgleich zu sorgen.
Um Frauen die Möglichkeit zu geben, Karriere in einem Unternehmen zu machen, benötigen sie vor allem flexible Arbeitsbedingungen. Auch hier solltest Du alles dafür in die Wege leiten, um die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Die Optionen reichen dabei von der Flexibilisierung der Arbeitszeiten bis zu Remote-Arbeit.
In Deinem Team hast Du darüber hinaus die Möglichkeit, Deine Crew für das Thema zu sensibilisieren. Mach allen klar, dass die Chancengleichheit für Frauen nicht nur für Dich persönlich ein wichtiges Thema ist, sondern vor allem auch einen maßgeblichen Anteil zum Unternehmenserfolg beitragen kann.
Denn wenn Frauen in Führungspositionen sind, können sie dazu beitragen, Stereotypen und Vorurteile abzubauen. Sie können als Vorbilder und Inspirationsquelle für andere Frauen dienen, die ebenfalls in Führungspositionen aufsteigen möchten. Untersuchungen haben gezeigt, dass Unternehmen mit mehr Frauen in Führungspositionen in der Regel wirtschaftlich erfolgreicher sind. Das liegt daran, dass Frauen oftmals ein höheres Maß an Empathie, Flexibilität und innovativem Denken mitbringen, was in weiterer Folge zu einer besseren Geschäftsstrategie und höheren Gewinnen führen kann.
Fazit: Eigeninitiative ist gefragt, damit aus der Utopie gelebte Realität wird.
Auch wenn es von Parteien und Netzwerken vielversprechende Vorschläge und Initiativen zur Erhöhung der Frauenquote in Führungspositionen gibt, ist in der Praxis davon noch nicht viel angekommen.
Der Anteil an Männern in Elternzeit erhöht sich zwar stetig, aber leider nur sehr langsam. Setzt sich das Wachstum in ähnlicher Weise fort wie in den vergangenen zehn Jahren, wird es wohl noch rund 30 bis 40 Jahre dauern, bis tatsächlich ein Gleichstand zwischen den Geschlechtern erreicht ist. Aus heutiger Perspektive handelt es sich dabei in Deutschland also immer noch eher um eine Utopie als um nahe Realität.
Mit entsprechender Eigeninitiative von Unternehmen und Führungskräften wie Dir lässt sich der Wandel jedoch deutlich beschleunigen. Wie es funktionieren kann, zeigen einige Kooperationspartner im Rahmen der „Initiative Chefsache“ vor.
Und das ist auch dringend erforderlich: Denn laut dem RKW Kompetenzzentrum verstehen sich insbesondere Frauen in Führungspositionen als Motivatoren und sind bestrebt, ihre Rolle stärker als ihre männlichen Kollegen mit fachlicher und sachlicher Führung zu untermauern. Genau das wirkt sich in weiterer Folge positiv auf die Mitarbeitermotivation und das Arbeitsklima aus.