Das eigene Ego: Bester Freund und größter Feind von Führungskräften
Unterschiedliche Studien haben ergeben, dass Menschen in Machtpositionen dazu neigen, ein sehr großes Ego zu entwickeln. Beispiele aus der Geschichte gibt es dafür sehr viele. Sie reichen von Persönlichkeiten früherer Zeiten wie beispielsweise Napoleon Bonaparte bis zu lebenden Menschen wie etwa Donald Trump oder Elon Musk.
Auch Führungskräfte sind in der heutigen Zeit stark davon betroffen. Als Konsequenz davon landen sie oftmals in einer Führungsblase, in der sie sich immer weiter von ihrem Team und dem näheren Umfeld entfernen. Dadurch kommt ihnen auch immer mehr das Gefühl für das Tagesgeschäft sowie die Anliegen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhanden. Wir zeigen Dir, was Du aktiv unternehmen kannst, um Dein Ego im Zaum zu halten.
Was genau ist das Ego?
Der Begriff „Ego“ kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet schlicht und einfach „Ich“. Anders ausgedrückt: Du bist das Ego. In der modernen Psychologie wird das Ego als jene Vorstellung definiert, die ein Mensch von sich hat. Es geht also um das Selbstbild, das Du von Dir hast.
Das Problem dabei: Laut dem berühmten Schweizer Psychologen C. G. Jung stellt das Ego lediglich den bewussten Teil der Persönlichkeit dar. Du siehst also nur das, was Du sehen willst. Aus der kleinen Katze wird dann schnell ein mächtiger Löwe im Spiegelbild.
Wir sehen uns selbst gerne als kommunikativ, engagiert und hilfsbereit. Dabei übersehen wir aber manchmal, dass wir beispielsweise andere nicht ausreden lassen oder Ideen von Haus aus als schlecht bewerten, nur weil sie vielleicht von jemandem stammen, der sich in der Unternehmenshierarchie in einer niedrigeren Position befindet. Die Definition des Egos im beruflichen Kontext findet vor allem über äußere Erfolgsfaktoren wie Machtpositionen, Karrierestufen, Titel oder auch dem Gehalt statt.
Ein großes Ego ist nicht grundsätzlich schlecht
Der Begriff Ego ist oftmals sehr negativ behaftet. Das liegt daran, dass sich daraus auch der Egoismus ableitet. Als Egoisten werden Menschen bezeichnet, die ein besonders rücksichtloses Verhalten an den Tag legen und bei ihren Handlungen keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer legen.
Doch nicht jeder Mensch mit einem großen Ego ist deshalb automatisch ein Egoist. Denn bei genauerer Betrachtung lässt sich erkennen, dass ein großes Ego auch seine guten Seiten hat. Wer ein starkes Selbstbild von sich hat, tritt auch dementsprechend auf. Das hilft dabei, seine Ziele und Vorstellungen in einem Unternehmen mit dem entsprechenden Selbstbewusstsein zu vertreten und im Umgang mit seinem Team souverän zu agieren.
Doch mit dem Ego verhält es sich ähnlich wie mit einem Luftballon. Bis zu einem gewissen Grad ist es wichtig, dass dieser befüllt wird. Erst dadurch erhält er seine Form und wird wahrgenommen. Wird er jedoch zu stark befüllt, besteht die große Gefahr, dass er platzt. Ähnlich verhält es sich mit dem eigenen Ego. Auch dieses kann sich gerade bei Führungskräften oftmals unnatürlich aufblähen.
In diesem Fall ist es für Dich als Führungskraft wichtig, die Anzeichen rechtzeitig zu erkennen, um entsprechend gegensteuern zu können.
Die klassischen Anzeichen für ein aufgeblähtes Ego
Führungskräfte mit einem aufgeblähten Ego neigen vor allem dazu, ihre eigenen Fähigkeiten stark zu überschätzen. Durch bereits erzielte Erfolge in der Vergangenheit fühlen sie sich für so gut wie alle anstehenden Aufgaben perfekt gewappnet.
Um das zu beweisen, befinden sie sich nahezu ständig in einem Kampfmodus. Meetings werden vorwiegend dazu verwendet, um sich selbst in den Vordergrund zu rücken und die Leistungen anderer herabzusetzen. Das Konkurrenzdenken ist auffällig groß und es wird immer öfter versucht, andere Menschen zum eigenen Vorteil zu manipulieren.
Zusätzlich geht ihnen der Blick für die Probleme innerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches immer stärker verloren. Sie werden entweder komplett übersehen oder einfach lapidar schöngeredet. Durch diese Verzerrung der Realität wird die Frustration unter den Team-Mitgliedern immer größer.
Im Laufe der Zeit führt das dazu, dass sich sowohl das eigene Team als auch andere Kolleg:innen aus dem Umfeld immer mehr distanzieren. Doch das wird mit Gedanken wie „An der Spitze ist es eben einsam!“ weggewischt.
Was steckt tatsächlich hinter dem aufgeblähten Ego?
Der Grund, warum sich viele Führungskräfte dermaßen in den Vordergrund drängen, ist in vielen Fällen ein geringes Selbstwertgefühl. Die Betroffenen haben das Gefühl, dass sie nur durch Zufall in ihre Position gelangt sind oder sich den beruflichen Aufstieg einfach nicht verdient haben.
Sie sind der Meinung, dass sie gar nicht die erforderlichen Skills haben, um den Job richtig auszuführen. Ihre ständige Befürchtung ist, dass einmal irgendjemand um die Ecke kommt und dem vermeintlichen Schwindel ein Ende bereitet. Um das zu verhindern, rücken sie ihre Erfolge in den Vordergrund und versuchen bei jeder Gelegenheit, Bestätigung für ihre Leistungen zu erlangen. Nicht immer handelt es sich dabei um ein bewusstes Verhalten der Führungskräfte. In vielen Fällen ist einfach die Psyche bemüht, den Selbstwert zu erhalten beziehungsweise zu erhöhen.
Dabei wären sie für den Job sehr wohl geeignet. Doch durch ihre Unsicherheit fühlen sie sich schnell von andern angegriffen und beginnen damit, ein Lügenkonstrukt aufzubauen, um gut anzukommen und von den eigenen Fehlern abzulenken. Die Empathie für die eigenen Mitarbeiter:innen geht dabei jedoch völlig verloren.
Nicht immer ist das der Fall. In manchen Fällen steckt hinter dem aufgeblähten Ego auch einfach eine Persönlichkeitsstörung in Form von Narzissmus. In diesem Fall ist das rücksichtslose Verhalten gegenüber anderen und die Selbstsüchtigkeit krankhaft.
Doch in den meisten Fällen ist das Ego tatsächlich nur ein wenig aufgebläht. Die gute Nachricht für Dich: Es gibt Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen, wenn du bereits in der einsamen Führungsblase gelandet bist.
Das kannst Du unternehmen, wenn Du in der Führungsblase gelandet bist
Das Wichtigste, um etwas gegen einen bestimmten Zustand unternehmen zu können ist, ihn erst einmal selbst zu erkennen. Gerade wenn Du der Meinung bist, dass Du als Führungskraft im Moment besonders erfolgreich unterwegs bist, solltest Du deshalb Dein Verhalten in regelmäßigen Abständen genau reflektieren und dabei zumindest zu Dir selbst ehrlich sein.
Doch sich einzugestehen, dass Du so großartig bist, wie Du dachtest, ist ein sehr schmerzhafter Prozess und führt dazu, dass sich Dein Selbstwert möglicherweise verringert. Davon solltest Du Dich jedoch nicht entmutigen lassen, sondern die Situation so annehmen, wie sie ist und einfach das Beste daraus machen.
Um aus der Blase herauszukommen, kannst Du beispielsweise mit Leuten Deine Pausen verbringen, die es nicht darauf anlegen, Dir unbedingt zu gefallen und dadurch Dein Ego noch einmal zusätzlich pushen. Suche Dir Gleichgesinnte, die Dir auch einmal ehrlich die Meinung geigen.
Wo gehobelt wird, fallen Späne. Dieses alte Sprichwort trifft auch auf Dich und Deine Leistungen zu. Niemand erwartet von Dir, dass Du deinen Job fehlerlos erledigst. Gehe offen mit Deinen Fehlern um und zeige Deinem Umfeld, dass auch Du nicht unfehlbar bist.
Höre damit auf, die Leistungen Deines Umfelds als selbstverständlich wahrzunehmen. Beginne damit, Dich bei Deinen Team-Mitgliedern für ihre Performance zu bedanken und bringe ihnen entsprechende Wertschätzung entgegen, wenn sie gute Leistungen erbringen.
Das funktioniert allerdings nur dann, wenn die Wertschätzung auch wirklich ehrlich gemeint ist, denn ansonsten könnte es dazu führen, dass sich Deine Mitarbeiter veralbert fühlen. Ein echtes Lob beruht immer auf konkreten Fakten. Statt einem einfachen „Gut gemacht, Lisa!“ könnte das Feedback beispielsweise folgendermaßen klingen: „Lisa, mir hat gut gefallen, wie Du heute mit der Beschwerde von Herrn Schneider umgegangen bist und wie Du sofort alles in Bewegung gesetzt hast, um sein Problem aus der Welt zu schaffen!“.
Führungskräfte sind oftmals der Meinung, dass ihre Persönlichkeit bereits besonders ausgeprägt ist und sie nichts Neues mehr auf diesem Gebiet lernen können. Doch die Reise ist niemals zu Ende. Deshalb solltest Du in regelmäßigen Abständen an Dir selbst arbeiten. Das kannst Du, indem Du entsprechende Seminare besuchst, Bücher liest oder regelmäßige Sessions bei einem persönlichen Coach buchst.
Fazit
Als Führungskraft bist Du immer der Gefahr ausgesetzt, dass sich Dein Ego aufbläht. Das liegt vor allem an den Leuten, mit denen Du dich umgibst. Wer ständig hört, was für ein toller Hecht er ist, der glaubt es irgendwann selbst.
Grundsätzlich ist ein starkes Ego wichtig, um seine Führungsaufgaben mit Selbstbewusstsein zu erledigen. Die Gefahr ist jedoch, dass es irgendwann so aufgebläht ist, dass Du Dich selbst maßlos überschätzt.
In solchen Situationen ist es wichtig, sich regelmäßig ehrlich selbst zu hinterfragen. Dafür ist es jedoch erforderlich, sich nicht auf seinem aktuellen Status auszuruhen, sondern laufend daran zu arbeiten, die eigene Persönlichkeit zu stärken und dadurch ein gesundes Ego für das eigene Führungsverhalten zu entwickeln.